1/18/2007

Ich hab die Tage mit Flobj telefoniert, weil er verreist war. Und war langweilig, deswegen zitierten wir uns gegenseitig aus Büchern, die wir gerade lasen. Ich las und lese im Moment immer noch die Fragment-Sammlung "Himmel und Erde" von Sándor Márai, einem ungarischen Schriftsteller.

Trennung

Aus welchem Stoff ist das Band gemacht, das die Menschen durchtrennen, wenn sie sich "trennen"? Im Ungarischen sind da die Wörter genau und anschaulich; es lohnt sich, auf ihren inneren symbolischen Sinn zu achten; also: Zwei Menschen gehen auseinander, "trennen" sich, und in diesem Augenblick wird in der Tat irgendeine feine Leitung, ein aus Gefühlen, Neigungen, Reizen, aus Neugier, Traurigkeit und Verlangen gesponnener Faden durchtrennt, der feiner, immatiereller ist als Ätherstrahlen, eine Art Astralgeflecht zerschnitten, das bisher verbunden und zusammengehalten hat. Zerschnitten, weil sie sich trennen, durchtrennt, und es verbindet, diese auf komplizierte Weise Verbundenen, nichts mehr. So irgendwie hat sich auch die Erde von der Sonne, der Gedanke vom Gefühl und hat sich am Ende der Hans von der Grete getrennt. Jetzt staunen sie und schauen zum Himmel auf, und sie glauben, Trennung sei Privatsache. Nein, in solchen Fällen geschieht auch im All etwas.

Das war die Stelle oder der Text, der mir an diesem Band bisher besonders gut gefallen hat. Márais Stil ist es, den Schlüsselsatz jedes Textes jeweils am Ende zu platzieren, wie hier der Satz "Nein, in solchen Fällen geschieht auch im All etwas." Nüchtern und scheinbar distanzier spricht er hier von den ganz großen und wichtigen Gesetzen, nach denen die, Welt aber auch das All, funktionieren.
Mir fiel in diesem Zusammenhang auch wieder die "Mikrokosmos - Makrokosmos"-Idee ein, die wir damals im Englisch LK bei der Besprechung von Hamlet besprachen. Während ich noch mit Flobj telefonierte, fiel mir diese Idee wieder ein (sie besagt kurz, dass es im Hamlet sowohl einen Mikrokosmos, Schloss Helsingör, als auch einen Makrokosmos, das All mit dem Geist von Hamlets Vater. Diese beiden Sphären haben miteinander zu tun, gerät die eine Welt aus dem Gleichgewicht, geschieht zwangsläufig auch etwas in der anderen Welt). Ich erwähnte sie kurz.

Vorhin war ich dann bei Flobj und plötzlich sah ich eine Ausgabe von "Shakespeare" dort rumliegen. Er erklärte mir, dass er sich das Buch ausgeliehen habe, weil er diese Mikrokosmos - Makrokosmos Idee mal selber lesen wollte. Ich war begeistert und wollte schnell "die Stelle" finden. Leider gibt es "die Stelle" aber gar nicht, wie mir jetzt beim erneuten Durchblättern des Stücks aufgefallen ist. Vielmehr ist diese Idee eine abstrakte Theorie, die kaum wörtlich erwähnt wird. Als einzigen Anhaltspunkt kann man den Brief sehen, den Hamlet Ophelia schrieb und von Polonius gefunden wird. Dieser liest im dann der Königin vor:

POLONIUS
Geduld nur, gnädge Frau, ich meld Euch alles.
Liest.


»Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht!
O liebe Ophelia, es gelingt mir schlecht mit dem Silbenmaße; ich besitze die Kunst nicht, meine Seufzer zu messen, aber daß ich Dich bestens liebe, o Allerbeste, das glaube mir. Leb wohl!

Der Deinige auf ewig, teuerstes Fräulein, solange
diese Maschine ihm zugehört.
Hamlet.«


















2 Comments:
Anonymous Anonym sagt->

mmhh...

Donnerstag, 18 Januar, 2007 

Anonymous Anonym sagt->

nun gut... danke fürs nachschauen!
ich werd dann mal selber reinschnuppern müssen in die ganze geschichte

sia!


schön übrigens einen neuen eintrag hier zu entdecken. nice!

Donnerstag, 18 Januar, 2007 

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