1/25/2007

Ich habe letzthin einmal in mein Tagebuch geschrieben:

„Erst viel später erkannte ich, dass bei dem Titel „Schlafes Bruder“ mit dem Genitiv gearbeitet wird.“

Ich muss dabei sagen, dass ich das Buch nur vom Hören sagen kenne und es noch nie gelesen habe.

Heute morgen war es dann soweit: Nachdem ich mich nicht richtig aufraffen konnte, nach Essen zu fahren und schließlich den letztmöglichen Zug auch noch verpasste, fuhr ich nach Krefeld und sah nach, wann die nächste Verbindung nach Duisburg war, damit ich mich wenigstens noch auf die Anwesenheitsliste eintragen konnte (was im Übrigen auch nicht gelang).
Ich kam also am Bahnhof an und als ich sah, dass ich bis zum nächsten Zug noch eine halbe Stunde Zeit hatte, überlegte ich, noch schnell zum Videospielfritzen zu laufen und zu schauen, ob er noch ein altes Texas Hold'em Spiel für den Gameboy herumliegen hatte. Ich hätte auch nicht mehr als 3 Euro bezahlt, das musste ihm klar sein.
Dann fiel mir ein, dass der Fritzen sein Geschäft am Behnisch-Haus hatte. Ich dachte „Zu weit!“ und ging dafür in den Caritas-Laden am Bahnhof. Als ich rein kam, lief mir eine offenbar verwirrte Frau entgegen, ich hielt sie für die Geschäftsführerin, „Hallo!“, keine Reaktion. Sie war es wohl doch nicht.
Ein Korb, ganz hinten durch bei den Büchern zog mich an, „Jedes Taschenbuch 0,50 €“. Der erste Sympathie-Vorteil von SecondHand-Läden gegenüber „regulären“ Läden: Sie verzichten auf ein „nur“ auf den Preisschildern. Zwischen LTB'S (das heißt „Lustige Taschenbücher“, für die, die früher „Power Rangers“ sahen/sehen mussten) und typischer Altenheim-Lektüre (es seien nur Johannes Mario Simmel und Jane Austin genannt) fand ich dann Robert Schneiders „Schlafes Bruder“. „Wie geil ist das denn!?“ dachte ich.
Ich hatte übrigens mein blaues Jackett an und dazu den Schal und so kam es dass ich zur Kasse ging und willkürlich die selbstgefällige Miene des Vorstadt-Intellektuellen aufsetzte, der seinen Freunden im Café erzählen würde, wie er in einem dieser Einfache-Leute-Läden doch tatsächlich das Buch gefunden habe, „nach dem er solange gesucht hat“.
Als ich an der Bahnhofsbäckerei vorbei kam, fiel mir wieder ein, woher mir die Idee mit der Intellektuellen-Miene kam: Klar, sie rührte noch aus meiner Losverkäufer-Zeit. Da hatte ich mal an einem langen Samstag einen Kunden, der sich aus einem Korb voll mit Ramsch einen Trostpreis aussuchen durfte. Er brauchte gefühlte 3 Stunden, untersuchte jedes Teil mit penibler Genauigkeit, ohne jedoch streng zu wirken. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, er hielt ein stinknormales Lineal gen Himmel, betrachtete es weitsichtig und sprach halb zu mir, halb zu sich selbst: „Dieses ist interessant“. Er habe vor längerer Zeit einmal mit einem solchen gearbeitet. Ich dachte, wenn er das so interessant fände, dann würde ich ihm gleich mal ein Geo-Dreieck zeigen, er fiele wohl aus allen Wolken. Was mir aber besonders imponierte, war diese ausdrückliche Art, mit der das Demonstrativ-Pronomen „dieses“ aussprach. Das hatte direkt so etwas intellektuell-versnobtes, das gefiel mir, auch wenn ich nie so werden will.



Eine gute Rezension, die "Schlafes Bruder" zerreisst.


In Schlafes Bruder steht Mitleidspathos neben Sozialpornographie, Verachtung des anderen neben Liebesmystik, ein Faible für abgetrennte Gliedmaßen neben der Schwärmerei für "torsohafte Sonatenhauptsätze" - eine, möchte man meinen, unverdauliche Mischung.






3 Comments:
Anonymous Anonym sagt->

lass ma lieber wieder n bier trinken!

Donnerstag, 25 Januar, 2007 

Anonymous Anonym sagt->

löwes schwester? watta? wie wärs mit löwj das nächste mal?
love und: bier war lecker.

Freitag, 26 Januar, 2007 

Anonymous Anonym sagt->

schonmal an die verwandheit von "love" und "löwe" gedacht? denkt mal drüber nach...

Freitag, 26 Januar, 2007 

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